Das Festival der Entschleunigung

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Ein Wochenende der Partizipation und Achtsamkeit – als Begleitprogramm der Ausstellung „A100 – Operation Beton", 26. und 27. August 2023

Bärbel Ruben
Festivalorganisatorin

In Berlin – in der Stadt, die niemals schläft – waren die Sommerabende und Wochenenden mit Open-Air-Veranstaltungen gut gefüllt. Besondere Formate wurden mit dem Programm DRAUSSENSTADT durch die Senatsverwaltung für Kultur und gesellschaftlichen Zusammenhalt gefördert; so auch das Festival der Entschleunigung des Museums Neukölln.

Die Idee für das Festival entstand als konzeptionelle Ergänzung zu unserer Sonderausstellung: „A100 – Operation Beton“, in der sich die Künstlerinnen Petra Kübert und Christina Zück mit den Mitteln der Fotografie, Raumforschung und Interviews mit den sozialen, stadträumlichen und stadtökologischen Konsequenzen des Autobahnabschnitts 16 der A100, der mitten durch Neukölln führt, auseinandersetzen.

Autobahn und Entschleunigung – wie passt das zusammen? Das Gelände des Schloss und Gutshof Britz ist schon per se ein Ort mit einer ganz besonderen, entspannten Aura. Als Flaneur:in kann man sich der Ausstrahlung dieses genius loci nicht entziehen – warum auch?

Uns ging es nun darum, dieses wunderbare Entschleunigungspotential – mit aller Gelassenheit – auf die Spitze zu treiben.

Unser Konzept ging auf: Die Festivalbilanz – mit insgesamt 850 Besucher:innen an beiden Tagen – gibt uns Recht. Aus dem Schloss und Gutshof Britz wurde für ein Wochenende das KulturGutBritz.

Unsere Gäste konnten an beiden Tagen aus einem attraktiven Programm wählen. Im Zentrum stand stets das Mitmachen und intensive Miteinander; es ging um Selbstwahrnehmung und Achtsamkeit.

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Thai Chi mit Jun Wang

Neben Thai Chi (Kursleiterin Jun Wang) und Chi Gong (Kursleiterin Dragana Jokic) gab es mehrere Bewegungsworkshops für Erwachsene mit und ohne Kinder, die von der Tänzerin Paula Kramer angeleitet wurden.  

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Chi Gong mit Dragana Jokic

Besonders reizvoll: wir hatten für diese Programmpunkte bisher noch nie öffentliche Orte zugänglich gemacht: der Bauerngarten und der Lindengarten am Gutshofseingang wurden so zu besonderen Oasen des Wohlfühlens.

Dietmar Lenz und Soogi Kang (Theater Salpuri) offerierten – an prominenter Stelle im zentralen Eingangsbereich des Gutshofs –  wiederkehrende Sessions, um mit Bambusstangen „zu tanzen“. Diese eigentlich niedrigschwelligen und doch erst einmal Mut erfordernden Workshops standen schon aufgrund der omnipräsenten fünf Meter langen Bambusstäbe im Zentrum der Aufmerksamkeit unserer Festivalbesucher:innen und wurden nach anfänglicher Zurückhaltung mit großer Freude angenommen.

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Tanz mit dem Bambus (Theater Salpuri)

Kinder und Erwachsene waren darüber hinaus zum keramischen Gestalten (Ceramic Kingdom) eingeladen, konnten sich im nachhaltigen Basteln (Tina Hoffmann) versuchen oder sich Anregungen holen, wie man sich bunte Strähnen ins Haar flechten kann. (Jill Reschke). Auch hier standen der soziale Austausch und das kreative Miteinander im Vordergrund.

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Töpfern-Basteln-Haarsträhnen

Am ersten Festivaltag gab es zudem besondere Angebote für Radfahrende: Ein Fahrrad-Parcours für Grundschulkids der durch die Verkehrsprävention der Berliner Polizei organisiert wurde sowie ein kostenloser Fahrradcheck durch die Berliner Taschengeldfima e.V.. Auch diese Offerten stießen auf freudige Teilhabe und Fachsimpelei.  

Bei Sonnenuntergang starteten wir ein besonderes Experiment:
Auf der Freilichtbühne wurde der Stummfilmklassiker „Menschen am Sonntag“ (Regie. Robert Siodmak 1930); musikalisch live begleitet durch das Trio „Der dritte Stand“ (Matthias Müller – Posaune, Matthias Bauer – Kontrabass und Rudi Fischerlehner – Schlagzeug) gezeigt. Die Musiker:inen hatten sich Wochen zuvor eine beeindruckende Interpretation zum Film erarbeitet, die jetzt zur Uraufführung kam.  

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Fahrradkino

Das Besondere am Experiment war jedoch der Gedanke der Nachhaltigkeit: Der Strom für den Filmprojektor wurde durch sieben Radfahrende „erstrampelt“. Hierzu startete das Museum einen Aufruf über verschiedene Kanäle, schließlich meldeten sich überaus „beinharte“ Pedalritter:innen aus dem Umfeld eines Radsportvereins, die wirklich alles gaben, um mit ihrer Muskelkraft permanent 100 Watt zu erzeugen.

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Musikertrio Der dritte Stand

Am Sonntag schließlich verzauberte der Pantomime Bastian mit seinem Gärtnerwagen unser staunendes Sonntagspublikum, das sich bereitwillig auf die nonverbale Ebene mit dem Unterhaltungsprofi einließ.

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Pantomime Bastian

Das Festival wurde von einem gesundheitsbewussten Publikum besucht, darunter befanden sich viele junge Familien.
Es herrschte eine friedliche und gelöste Stimmung bei Jung und Alt. Dieses ausgefallene Format hat dem gesamten Gutshof wirklich gutgetan und das Museum konnte sich mit dem zur Verfügung gestellten Mitteln ganz neuen Zielgruppen gegenüber öffnen.

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 Festivalgelände

Alle Fotos: ©Museum Neukölln/ Jens Ferchland.