Neukölln kauft und verkauft

Markthändler:innen präsentieren ihre Ware, Rixdorf, 1920
Fotograf:in: unbekannt

 

Die Markthändlerin Ottilie Hübchen steht mit ihren Kolleginnen am Stand und bietet unterschiedliches Gemüse pfundweise zu Pfennigpreisen feil. Im Hintergrund posieren weitere Händler:innen, nebst einem neugierigen Hund. Eine Gruppe von Kindern besucht den Markt.

Der Wochenmarkt gilt als älteste Handelsform überhaupt, auf dem traditionell Produkte aus der Umgebung gehandelt werden. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts bekamen die Berliner Wochenmärkte Konkurrenz durch die modernen Markthallen. Als neuer Bezirk von Groß-Berlin war Neukölln 1926 mit fast 2100 Händlern der Bezirk mit den meisten Marktständen.

 

Interessierte Kund:innen vor dem Fahrradgeschäft der Familie Kuschkow am Hermannplatz, Neukölln; 1926
Fotograf:in: unbekannt

 

Auf ihre Räder gelehnt stehen interessierte Kund:innen vor dem Fahrrad-Haus Kuschkow und betrachten neugierig den Aushang zu Neuigkeiten aus der „Rad-Welt“. Im Ladeneingang stehen die Inhaber.innen mit ihrem Schäferhund.

Oskar Kuschkow, selbst Radsportler und späterer Schwiegervater der Neuköllner Rennfahrerlegende Erich „Wüste“ Hoffmann, eröffnete nach seiner Radsportzeit das Fahrrad-Haus am Kottbusser Damm. Hier verkaufte er Räder der Marken Brennabor und Opel, auf Anfrage auch auf Teilzahlung. Der Radsport erfreute sich zunehmender Beliebtheit und mobilisierte die Bewohner.innen der wachsenden Stadt.

 

Konfitürengeschäft in der Hermannstr. 151; Neukölln, 1930
Fotograf:in: unbekannt

 

Stolz lächelt die junge Verkäuferin in die Kamera, ein weißes Häubchen ziert ihren Kopf. Auf der kunstvoll-geschnitzten Ladentheke liegen Süßwaren aller Art aus. Sarotti-Werbefiguren und ein Werbebanner für Kaffee „in allen Preislagen“ verweisen auf die angebotenen Genusswaren.

Das Konfitürengeschäft in der Hermannstraße 131 bot seinen Kund:innen eine reiche Auswahl an Genussmitteln. Darunter fielen vor allem Berliner Produkte aus dem Nachbarbezirk Tempelhof wie die Sarotti-Schokolade oder der Lutze-Kaffee, neben Kaffee Hag ein entkoffeinierter Kaffee aus der Kaffeegroßrösterei J.A. Lutze in Berlin-Mitte.

 

Fischstand auf einem Neuköllner Wochenmarkt, Neukölln, 1950/60er-Jahre
Fotograf:in: Elsa Thiemann

 

Am Fischstand steht die neugierige Kundschaft. Die Einkaufsnetze in den Händen sind bereits gefüllt. Der halbierte Kabeljau liegt ausgenommen und geschichtet auf der Verkaufsfläche.

Die kritische Versorgungslage in den Nachkriegsjahren stabilisierte sich in der Bundesrepublik mit der Abschaffung der Lebensmittelmarken im Jahr 1950. Waren wie Fisch und Fleisch können wieder frei erworben werden, wobei Fisch zumeist am Freitag auf den Tisch kommt. Fleisch ist weiterhin Luxusware und wird lediglich ein- bis zweimal wöchentlich verzehrt.

 

Im Feinkostladen Kelsch Neukölln, 1965
Fotograf:in: unbekannt

 

Im Feinkostladen der Familie Kelsch herrscht reges Treiben. Die Kundschaft steht dicht gedrängt vor der üppigen und vielfältigen Auslage von Wurst und Schinken.

Nach dem Zweiten Weltkrieg eröffnete Frieda Kelsch ein Feinkostgeschäft in der Hermannstraße. Die Nachfrage nach Fleisch- und Wurstwaren war groß. Nach den Hungerjahren hatte auch Neukölln die Fresswelle erreicht. Fleisch galt als prestigeträchtig und schmackhaft. In Westdeutschland stieg bis in die 1960er-Jahre der Pro-Kopf-Verbrauch von Fleisch auf 64 Kilogramm jährlich.

 

Markt am Maybachufer Neukölln, 1970er-Jahre
Fotograf:in: unbekannt

 

Tanne, Gemüse und Esskastanien gibt es an einem Stand am Maybachufer zu kaufen. Das Angebot lenkt die Aufmerksamkeit vieler Kund:innen auf sich. Im Hintergrund sind die Häuserfassaden der anderen Uferseite zu sehen.

Der Markt am Maybachufer am Landwehrkanal gelegen existiert bereits seit 1881 und findet als Wochenmarkt jeden Dienstag und Freitag statt. Durch den Zuzug türkischer Familien in den 1960er-Jahren vor allem nach Neukölln und Kreuzberg erhielt der Markt eine türkische Prägung. Seit einigen Jahren nennt sich der Markt „BiOriental“ und ergänzt das Angebot mit Biowaren und Kunsthandwerk.

 

Wiedereröffnetes Warenhaus „Hertie“ Neukölln, 1983
Fotograf: Jürgen Engler

 

Begeistert stellt die junge Verkäuferin ein neues Fernsehgerät vor. Hinter ihr stehen weitere Geräte in Reihe und strahlen zum besseren Bildvergleich dasselbe Programm aus.

Anlässlich des 100-jährigen Bestehens der Kaufhauskette Hertie wurde die Filiale in der Karl-Marx-Straße umgebaut und 1983 wiedereröffnet. Das Warenhaus bot neben moderner Kleidung von der Stange ebenso neueste technische Geräte wie das Stereo-Fernsehgerät zum Verkauf und lockte damit eine breite Kundschaft an. Mit der Erweiterung des Fernsehprogramms um die Privatsender Mitte der 1980er-Jahre gewann das Fernsehen an Beliebtheit.

 

 

Türkisches Lebensmittelgeschäft, Neukölln, 2001
Fotograf: Bruno Braun

 

Melonen liegen ansehnlich präsentiert neben Tomaten, Gurken und Paprika im Schatten der Markise und ziehen die Blicke dreier Kinder und einer Frau auf sich.

Dem Anwerben ausländischer Arbeitskräfte in den 1960er- und 1970er-Jahren durch die BRD folgten „Gastarbeiter:innen“ hauptsächlich aus dem südlichen und südöstlichen Europa. Die größte Einwanderungsgruppe kam aus der Türkei. Aufgrund der mitgebrachten Essgewohnheiten, die sich von den deutschen unterschieden, eröffneten viele türkische Lebensmittelgeschäfte, die heute innerhalb Berlins mit rund 4000 Geschäften einen großen Wirtschaftsfaktor ausmachen.

 

In der biooase44, Neukölln (Karl-Marx-Straße 162), 2015
Fotografin: Barbara Hoffmann

 

Die Kundin legt das frische Gemüse mit wenig Verpackung in ihren Einkaufswagen. Von der Schwarzwurzel bis zum Hokkaido liegen regionale Gemüsesorten im Warenregal.

Der „interkulturelle Kiez-Bioladen & Café“ biooase44 wurde 2012 eröffnet und bietet regionale Produkte zu fair-gehandelten Preisen. Bereits in den 1980er-Jahren gewann die biologisch-organische Ernährung an Bedeutung innerhalb einer für Umweltthemen zunehmend sensibilisierten Gesellschaft. Alleingeführte Bioläden schufen ein entsprechendes Angebot. In den 2000er-Jahren eröffneten daneben reine Biosupermärkte, womit der Marktdruck auf alleingeführte Geschäfte, wie die biooase44 gestiegen ist.