Die Woermannkehre im Ortsteil Britz

Im Verlauf des Jahres 1975 wird im Neuköllner Ortsteil Britz eine Straße nach dem Namen von Adolph Woermann benannt, einem Hamburger Großreeder, Speditionskaufmann und nationalliberalen Kolonialpolitiker (1847-1911). Dies ist bemerkenswert, da damals bereits bekannt gewesen sein sollte, dass der Woermann-Konzern in besonderem Maße von der Ausbeutung der deutschen Kolonien profitierte.
De facto wurde Woermann zum Mitbegründer der deutschen Kolonie Kamerun. Durch den Export von Textilien, Waffen, Salz und Branntwein und den Import von Palmöl, Palmkernen, Kautschuk, Kakao und Elfenbein aus Westafrika wurden erhebliche Gewinne erzielt.
Als technischer Delegierter des deutschen Reichskanzlers Otto von Bismarck nahm Adolph Woermann 1884/85 auch persönlich an der Berliner Kongo-Konferenz zur kolonialen Aufteilung des afrikanischen Kontinents unter den europäischen Mächten teil.
Die 1885 von Woermann gegründete Afrikanische Dampfschiffs-Aktiengesellschaft – bekannt als Woermann-Linie – entwickelte sich zeitweilig zur größten privaten Schifffahrtsgesellschaft der Welt. Das Unternehmen erwirtschaftete Profite im Handel mit den Kolonialgebieten und dehnte diesen ab 1891 nach „Deutsch-Südwestafrika“ (heutiges Namibia) aus.
Während des Völkermordes an den Ovaherero und Nama (1904-1908) organisierte Woermann die Truppentransporte von Hamburg nach Deutsch-Südwestafrika und wurde damit zum Profiteur dieses Verbrechens. Dafür wurden zu einem Großteil Kriegsgefangene zur Zwangsarbeit herangezogen, die in firmeneigenen Lagern interniert wurden.
Im Rahmen des für das Jahr 2026 in Vorbereitung befindlichen Ausstellungsprojektes "um_bennen", das in Kooperation mit dem Arbeitskreis der Berliner Regionalmuseen und dem Verein AKTIVES MUSEUM entwickelt wird, wird sich das Museum Neukölln auch inhaltlich mit der Woermannkehre befassen. Da eine Umbenennung der Straße aus übergeordeten Gründen derzeit nicht umsetzbar ist, wird an einer angemessenen Kontextualisierung vor Ort gearbeitet, um den historischen Sachverhalt im Straßenraum sichtbar zu machen.
Bemerkenswert ist, dass die Benennung der Woermannkehre in etwa zeitgleich erfolgt mit der Umsetzung des kolonialen Denkmals - des sog. Hererosteins - von Kreuzberg auf das Areal des Friedhofs am Columbiadamm. Ob es sich um eine zufällige zeitlichen Koinzidenz handelt, oder aber eine intentionelles Absicht dahinter steckt, ließ sich bislang nicht eindeutig klären.
Weiterführende Informationen:
https://eineweltstadt.berlin/publikationen/stadtneulesen/woermannkehre/
Todzi, Sebastian Kim: Unternehmen Weltaneignung. Der Woermann-Konzern und der deutsche Kolonialismus 1837-1916 (Hamburger Beiträge zur Geschichte der kolonialen Globalisierung, Band 2), Hamburg 2023.