Zeichen.Sprachen.Stadtraum.

Tags, Styles und Pieces in Neukölln

Juli 2025 bis Dezember 2025

 

„Die große Stadt
ist jener semiotische Raum,
wo keine Materialität
unsemiotisiert bleibt.“
(Stierle, Karlheinz 1993: 14)

 

Die Stadt ist nicht nur Wohn-, Verkehrs- und Wirtschaftsraum, sondern in ganz besonderer Vielfalt auch Kommunikationsraum. Mit einer Vielzahl von Zeichen und Signalen wird eine komplexe Infrastruktur von Kommunikation geschaffen, die sowohl eine räumliche (z. B. Verkehrszeichen, Bodenmarken) als auch eine inhaltliche Orientierung ermöglicht.

Grundsätzlich ist zwischen hoheitlichen Zeichen und privaten bzw. privatwirtschaftlichen Zeichensetzungen zu unterscheiden. Beide unterliegen unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen und Normierungen.

Darüber hinaus gibt es jedoch auch Zeichensetzungen, die auf das Engagement von Einzelnen oder Interessensgruppen zurückgehen, jedoch ganz bewusst außerhalb des rechtlichen Rahmens – anarchisch, guerillaartig. Damit wird der Stadtraum auch zum Ort – letztlich zur Bühne – verschiedenster individueller Meinungsäußerungen.

Zur Intention unserer Ausstellung

Genau an dieser Stelle setzt das Erkenntnis- und Vermittlungsinteresse der Ausstellung an. Wir verstehen den Stadtraum als begehbares Exponat; Mit den Mitteln der Szenographie wird gewissermaßen eine Gebrauchsanweisung zur Enträtselung dieser städtischen Zeichen-Sprachen geschaffen.

Ganz im Sinne des von Clifford Geertz entwickelten Konzeptes der Dichten Beschreibung begeben wir uns mit der Ausstellung auf Spurensuche und – fotografisch – auf eine visuelle Spurensicherung; denn die autonomen/anarchischen Zeichensetzungen im Stadtraum unterliegen einem stetigen Wandel – sei es durch Übermalung, Reinigung oder schlicht durch Verwitterung.

 

Semantik und Semiotik – der Stadtraum als (Be)Deutungsraum

Der Stadtraum ist ein poly-funktionaler Raum – Verkehr, Leben, Wohnen, Erwerb, Kommunikation, Interkulturalität, Bühne, Präsentation/Repräsentation etc. –  Straßen sind Strukturelemente der städtischen Infrastruktur; Wände und Flächen werden – in ihrer sekundären Funktion – zu Zeichenträgern.

Gerade in einem Bezirk wie Neukölln, bei dem Multikulturalität zum Markenkern gehört, ist mit einem hohen Maß an Überlagerung und Gleichzeitigkeit unterschiedlicher Meinungsäußerungen zu rechnen. Dadurch entsteht mit der Zeit eine komplexe Stratigraphie der visuellen Zeichensetzungen: Der urbane Raum wird aufgrund dieser Komplexität zum (Be)Deutungsraum, zum Reizraum (multiple Bedeutungscluster) – mit einer Tendenz zur Reizüberflutung.

Paradoxe Züge besitzt diese Art und Weise der Kommunikation dadurch, dass sie einerseits im öffentlichen Raum stattfindet – die Autorenschaft der Zeichensetzungen zugleich aber oft/in der Regel anonym bleibt.

Während den hoheitlichen Zeichensystemen meist eine eindeutige Autorenschaft zugewiesen werden kann, ist dies bei den autonom-anarchischen Zeichensetzungen nur in Ausnahmefällen möglich; mitunter ist – aufgrund der systemimmanenten und gruppeninternen Codierung – auch der Kreis möglicher Adressat:innen der jeweiligen Botschaft eingeschränkt. Daraus folgt, dass diese Zeichensetzungen zwar bewusst und absichtsvoll im öffentlichen Raum auch öffentlich zugänglich platziert werden, jedoch nur community-orientiert entschlüsselt und damit in ihrem Sinngehalt auch wirklich verstanden werden können.

Im Dialog mit der Szene

Im Rahmen der Ausstellung geht es darum, mit einzelnen Akteur:innen aus der Szene in persönlichen Kontakt zu kommen. Im Rahmen von Interviews sollen die für einen Außenstehenden oft kryptischen Zeichen entschlüsselt werden; es geht auch darum, über Motivationen und Intentionen, die Botschaften und Zielgruppen zu sprechen – Vertraulichkeit und Anonymität werden dabei zugesichert.

 

ABC der städtischen Zeichensetzungen

Eingeleitet wird die Ausstellung mit einem schlaglichtartigen Überblick zu den unterschiedlichen Zeichensystemen, die gleichzeitig und zugleich unabhängig voneinander – gewissermaßen in stadträumlichen Parallelwelten – existieren.

 

Das visuelle Zentrum der Ausstellung: zwischen Doku-Fotografie und Kunst

Eigens für die Ausstellung werden drei oder vier professionelle Fotograf:innen beauftragt, ihre ganz persönliche Sicht auf die Zeichensysteme des Neuköllner Stadtraums ins Bild zu setzen. An der Schnittstelle zwischen dokumentarischer (Stadtraum-)Fotografie und Kunst entsteht durch diese Aufträge das visuelle Zentrum der Ausstellung.