Samenkästchen

19. Jhdt, Samen, Pappe, 14 x 10 x 8,5 cm
Spende: Agnes Born, 1960

 

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In diesem Kästchen bewahrt die Besitzerin jahrelang Samen aus dem südamerikanischen Surinam auf. Das rechteckige Samenkästchen ist aus Pappe gefertigt und mit Stoff verkleidet. Es ist mit Samen zweier tropischer Pflanzen, der Paternostererbse und der Tamarinde, bestickt. Das Samenkästchen wird vermutlich im 19. Jahrhundert in Surinam gefertigt und von Herrnhuter Missionaren nach Neukölln gebracht. Eine Schwester der Brüdergemeine schenkt es in den 1960er-Jahren dem Museum Neukölln, wobei die genaue Provenienz des Kästchens unbekannt ist. Inhaltlich ist die Geschichte des Samenkästchens eng mit der Geschichte der Mission der Herrnhuter Brüdergemeine in Neukölln verbunden. Schon im 18. Jahrhundert wird die Mission als ein wesentlicher Bestandteil der Gemeindearbeit verstanden. Aus diesem Grund werden Missionar:innen oft in Kolonien protestantisch geprägter Länder ausgesandt, zum Beispiel in die Karibik, nach Grönland, Südafrika und Surinam. In Neukölln finden sich an verschiedenen Orten Spuren der deutschen Kolonialgeschichte.

 

Foto: Objektfoto Samenkästchen (ohne Bildunterschrift)

 

Von Rixdorf nach „Deutsch-Ostafrika“

 

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Im 19. Jahrhundert beginnt das Deutsche Reich, Gebiete in Afrika, Asien und Ozeanien zu kolonisieren und gewaltsam unter deutsche Herrschaft zu stellen. In dieser Zeit nimmt die Herrnhuter Brüdergemeine ihre Missionstätigkeit in dem Gebiet des heutigen Tansania auf, damals ein Teil „Deutsch-Ostafrikas“. Mit dem Plan, eine vermeintlich notwendige „Zivilisierung“ der Kolonisierten mit Hilfe des Christentums zu vollziehen, werden Missionsstationen gegründet. Auf der Station Mbozi werden Kaffee- und Kautschukplantagen angelegt, auf denen Afrikaner:innen arbeiten sollen. Die Missionar:innen in den Kolonien bewegen sich aufgrund asymmetrischer Machtverhältnisse in einem klaren Unrechtskontext. Um möglichst viele Gebiete zu erreichen, werden viele Missionar:innen von der Brüdergemeine ausgesandt. Auch das Ehepaar Ernst und Anna Giersch aus Rixdorf sind dabei.

Foto: Ernst und Anna Giersch vor ihrem Wohnzelt in Mbozi, 1906, Foto: Unitätsarchiv Herrnhut

Koloniale Spuren in Neukölln

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Noch heute finden sich im Bezirk Neukölln an verschiedenen Stellen Spuren der deutschen Kolonialgeschichte. 1907 wird sieben deutschen Soldaten ein Gedenkstein in Berlin gewidmet. Sie kämpften in der ehemaligen Kolonie „Deutsch-Südwestafrika“, dem heutigen Namibia. Diese als „Helden“ gefeierten Soldaten waren am Genozid an den OvaHerero und Nama (1904-08) beteiligt. Dieser Stein steht seit 1973 auf dem Friedhof am Columbiadamm. Erst seit 2009 gibt es auf dem Friedhof zusätzlich auch eine kleine Gedenkplatte, die der afrikanischen Opfer des deutschen Kolonialismus in Namibia gedenkt.

Foto: Links die Gedenkplatte, rechts der mit Farbe beschmierte Stein für die deutschen Soldaten, 2020, Foto: privat

 

 

 

 

 

Aufarbeitung in Neukölln

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1890 wird in Rixdorf eine Straße nach Hermann von Wissmann (1853-1905) benannt. Wissmann war als Reichskommissar an der brutalen Niederschlagung des antikolonialen Widerstandes der Küstenbevölkerung in „Deutsch-Ostafrika“ beteiligt. Viele Jahre setzen sich verschiedene Initiativen für die Änderung dieses kolonialen Straßennamens ein. 2019 beschließt die Bezirksverordnetensammlung (BVV) von Neukölln die Umbenennung der Straße. Eine Jury wählt drei Namen aus, über die die BVV abstimmt. Im April 2021 wird die Straße schließlich nach Lucy Lameck (1924-1993) umbenannt, der ersten weiblichen Abgeordneten im Parlament Tansanias und ehemaligen Ministerin im tansanischen Regierungskabinett, die sich besonders für Frauenrechte einsetzte.

Foto: Die Umbenennung der Wissmannstraße, 2021, Foto: Stephanus Parmann