Silber, Gold und Diamant – Porzellan  gehört zum  Jubiläum

von Julia Dilger

 

Mit diesem Geschirrset feierte das Ehepaar Poethke aus der Neuköllner Steinmetzstraße (heute Kienitzer Straße) seine Silberhochzeit. Das Service besteht aus Kaffeekanne, Milchkännchen, Zuckerschale, Tassen und Untertassen (eine der Untertassen ist verloren gegangen). Hergestellt wurde das Porzellan in der Porzellanmanufaktur Carl Tielsch & Co. in Schlesien. Mehr ist zu diesen Objekten aus der Sammlung des Museums Neukölln nicht dokumentiert.

Geschirr war früher ein typisches Geschenk zur Silberhochzeit. Dies bezeugt auch der aufwändig bemalte Zierteller mit dem Spruch „Ist euch der Himmel hold, so wird aus Silber Gold“. Darunter hat sich die Schenkerin verewigt: „Zum Andenken von Frau Funke“. Sie machte den Teller am 8. Juli 1882 einem Jubelpaar zum Geschenk.

In Deutschland gibt es unterschiedliche Bezeichnungen für Hochzeitsjubiläen. Die bekanntesten und ältesten überregionalen Ausdrücke sind Silberne Hochzeit, Goldene Hochzeit und Diamantene Hochzeit für den 25., 50. und 60. Hochzeitstag. Bei der Silbernen oder Goldenen Hochzeit wurden häufig Kränze mit der jeweiligen Zahl an die Tür oder im Garten des Ehepaares aufgehängt, ein Brauch der auch als Kränzen bekannt ist. Traditionell fertigten die Nachbar:innen diese Kränze an.

Bei der Silbernen Hochzeit unterscheiden sich die Bräuche in Nord- und Süddeutschland stark. In Norddeutschland wurde die Eingangstür mit silberner Farbe, Tannenzweigen und der Zahl 25 geschmückt. Zusätzlich hängte man rote Tücher auf, um böse Geister zu vertreiben. In Süddeutschland warfen Freun­d:in­nen und Bekannte des Jubelpaares silbernes Besteck aus dem Fenster. Üblich ist bis heute das Schmücken der Silberbraut mit einer silberfarbenen Krone, dem Ehemann wird ein silbernes Gesteck ans Revers geheftet.

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Die Größe der Feiern richtete sich nach dem Geldbeutel. Das Rixdorfer Ehepaar Wickel lud zu seiner Silberhochzeit im Januar 1902 in Gröpler’s Salon in der Bergstraße (heute Karl-Marx-Straße) ein. Die Speisenfolge auf der Einladungskarte klingt noch heute verlockend: Auf die Krebssuppe folgte gemischtes Gemüse mit Beilage, danach gab es Zander mit Butter und holländischer Sauce, gefolgt von gespicktem Rinderfilet und Hamburger Ente, dazu wurden Salat und eingemachte Früchte gereicht. Zum krönenden Abschluss standen Eis mit Waffeln sowie Butter und Käse bereit. Ferdinand Wickel war Steinsetzmeister und einer der vermögendsten Bürger Rixdorfs. Er ließ 1904 in der Richardstraße 35 die Richardsburg errichten, eine der größten Mietskasernen Berlins mit mehreren Höfen.

Goldene Hochzeiten richteten üblicherweise die Kinder aus. Auch zur Feier der Goldenen Hochzeit von Daniel Maresch und Auguste, geb. Schinke luden im Jahr 1912 ihre Kinder ein. Die Speisenfolge ist mit Prager Schinken, Lachs in Hummersauce und Hasenbraten ähnlich üppig wie bei Ehepaar Wickel.

Die Silberhochzeit ist Anlass zu Rückblick und Ausblick. Die Kinder sind erwachsen und ein neuer Teil des gemeinsamen Lebens beginnt. Wer das Glück hat, auch die Goldene Hochzeit zu feiern, ist miteinander alt geworden. Bei der Diamant­hochzeit ist das Paar schon hochbetagt. Den meisten steht dann nicht mehr der Sinn nach einem rauschenden Fest.
Im Neukölln der 1950er-Jahre bekamen Paare zur Diamantenen Hochzeit Besuch von Bezirksbürgermeister Kurt Exner. Bei den kleinen Feiern zu Hause im Kreis der Familie überreichte er Geld, Blumengestecke, Präsentkörbe und Glückwunschkarten. Manchmal wurde Exner auch an die Kaffeetafel eingeladen – etwas zu trinken gab es für den Bürgermeister jedenfalls immer.

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Heute ehren Bezirksbürgermeister:in bzw. Stadtrat oder Stadträtin Paare zu ihrer Diamantenen Hochzeit. Hierzu müssen die Familien sich allerdings vorher beim Bezirksamt melden (Abteilung Soziales, Seniorenservice). Ab der Diamantenen Hochzeit werden ein Blumenstrauß und eine Glückwunschkarte überreicht. Sollte der Wunsch einer Ehrung schon zu einer Goldenen Hochzeit an das Amt herangetragen werden, versucht der Bürgermeister bzw. die Bürgermeisterin in der Regel, ihn zu erfüllen.

Die Grüne Hochzeit ist der Tag der Trauung, weil das Paar zu diesem Zeitpunkt noch „grün hinter den Ohren“ scheint. Am 16. Mai 1920 feierten Lisbeth Rehbock und Erich Könnig aus Neukölln ihre Hochzeit am Tag der Silberhochzeit von Lisbeths Eltern Anna und Heinrich. Von der Feier ist ein vierseitiges Schmuck-Gedenkblatt erhalten, eine Art Hochzeitszeitung. Auf die Melodie von „Ich hab’ mich ergeben“ sang man dem Silberpaar: „Das heißeste Beten, heut ward es euch wahr, denn eure Kinder treten, mit euch zum Traualtar […] Erhebet die Herzen, zum Jubelgesang: das Silberpaar soll leben, bei frohem Becherklang“.

Dem jungen Brautpaar sang man zur Melodie von „Strömt herbei ihr Völkerscharen“ die Zeilen: „Seid gegrüßt in unserm Kreise, sei gegrüßt, du junges Paar. In des Liedes froher Weise, bringen wir dir Wünsche dar. Mit der Myrte, mit dem Schleier, strahlt ihr heut’ in diesem Haus. Zu des Festes schöner Feier, schickt Gott seinen Segen aus.“

Familie Rehbock war in Neukölln wohlbekannt. Heinrich Rehbock betrieb am Richardplatz, später in der Karl-Marx-Straße, einen erfolgreichen Pferdehandel. Seine Kunden waren in erster Linie Berliner Brauereien, natürlich auch die Kindl-Brauerei. 1932 übernahm Heinrich Junior das Unternehmen. Was aus dem jungen Paar Lisbeth und Erich wurde, ist nicht leider bekannt.