New Chamber Ballet (New York) | PI
Passend zu unserer neuen Veranstaltungreihe "Zeitmusik Britz", einem kleinen Festival für zeitgenössische Musik, präsentiert die Kulturstiftung Schloss Britz ein Ballett von Miro Magloire mit Musik von C. René Hirschfeld und Visual Arts von Korvin Reich.
PI ist eine Performance mit Musik, Bildern, und Tanz: drei eigenständige Werke, musikalisch, bildnerisch, und tänzerisch über die Zahl π („pi“) reflektierend, finden in einer gleichzeitigen Präsentation zueinander.
Seit ihrer Entdeckung hat die Zahl π nichts an Faszination eingebüßt. Als Konstante der Natur ist sie allerdings weit mehr als nur eine mathematische Größe. Im Klang, ja allgemeiner noch: in der Schwingung ist sie präsent, in jedem Kreis und jeder Kugel, die wir wahrnehmen. Letztlich ist sie permanent, ohne, dass wir uns dessen bewusst wären, auf die eine oder andere Weise in optischen und akustischen Zeichen des Alltags und der Kunst verborgen.
Das π - Projekt soll in diesem Sinne Türen zu einer Rückbesinnung auf die Verbindung von heute scharf getrennten Bereichen öffnen, inhaltlich wie formal, für Kunst und Alltag, denn auch diese beiden Bereiche sind in diesem Sinne engstens verbunden. Bilder, Musik, und Tanz, in Raum und Zeit vereint, eröffnen hier eine neue Ebene der Wahrnehmung.
C. René Hirschfelds Komposition „π - Klang der Unendlichkeit“ formuliert musikalisch die Frage nach dem Wesen von Transzendenz, ja Unendlichkeit. Das Werk baut strukturell vollständig auf π auf. Verwendet wird hierbei sowohl π als Proportion in der Großform und der Binnenstruktur als auch die Folge der Ziffern an sich (bis zur Nachkommastelle 5.400), wobei die ganzzahlige 3 eine Sonderstellung einnimmt und musikalisch sozusagen den Grund bildet (Grundton: 31Hz!). Da π eine natürliche Konstante ist, benutzt die Komposition nicht unser künstliches, gleichstufiges Stimmungs-System, sondern die natürliche Obertonreihe. Zwischen die synthetische Klänge mischen sich das traditionelle indische Raga Shree, Textzitate von Giordano Bruno und Nikolaus von Kues, sowie bearbeitete und verfremdete Zitate von Musik früherer Epochen. Es sind Verweise auf Komponisten der Vergangenheit, deren Werk diesem Thema in besonderer Weise nahe steht.
So wird man aus den nahezu kosmisch anmutenden Klangwelten immer wieder auch auf die Ebene des Menschen und seiner Versuche von Weltanschauung, Weltsicht und Weltverständnis durch Kunst, Wissenschaft und Religion zurückverwiesen: Denn letztlich ist auch dies alles kosmischen Gesetzmäßigkeiten unterstellt.
Korvin Reich schuf von 2021 bis 2023 "Das PI-Projekt", eine Serie großformatiger Handzeichnungen auf Leinwand und Papier, die sich mit der Zahlenfolge von π, dem Kreis und ihrer Reflexion in anderen Bereichen wie der Riemann-Zeta-Funktion und der Leibniz-Reihe sowie der Darstellbarkeit des Unendlichen beschäftigen.
π ist eine unendliche und irrationale Zahl, die für menschliche Sinne unfassbar ist und kein erkennbares Muster aufweist. Reichs Werke erforschen, wie unsere Wahrnehmung auf diese Unvorhersehbarkeit reagiert und versuchen das Unsichtbare sichtbar zu machen, wobei Überraschung, Forschung, Staunen und das Poetische eine zentrale Rolle spielen.
Die Zeichnungen des Künstlers wurden für die Aufführung digital bearbeitet, um als Projektionen auf Bühne und Tänzerinnen präsentiert zu werden. Diese Zusammenkunft von analoger und digitaler Welt zeigt sich, indem Hirschfeld analoge Musik in digitale Klangwelten einwebt, während Reich von reinen Handzeichnungen zur digitalen Bearbeitung und Präsentation für diese Aufführung übergeht.
Choreografie von Miro Magloire
Ein Zusammenkommen dreier Ausdrucksformen in einem Raum ist immer ein Risiko: wie im Zuschauer aus Gehörtem und Gesehenem Erfahrenes, Gedachtes, und Gefühltes wird, bleibt ein Mysterium. In PI tanzen fünf Tänzerinnen durch die klanglichen und visuellen Räume von Hirschfelds Komposition und Reichs Bildern, in choreografischen Fragmenten von Miro Magloire.
Dabei zeichnet die Choreografie keine offensichtlichen Kreise. Vielmehr reihen sich die Fragmente ähnlich der π-Dezimalstellen aneinander: ein ununterbrochen fließender Strom kleiner und großer, runder Bewegungen innerhalb und außerhalb des Körpers.
Das genaue Aufeinandertreffen von Körpern und Projektionen im Raum, und von Bewegung und Klang in der Zeit, ist dabei variabel: es gibt viele verschiedene Wege, auf die man seine Aufmerksamkeit während der knapp einstündigen Performance schicken kann.
Über das New Chamber Ballet
Das New Chamber Ballet entstand aus der Überzeugung, dass große Kunst am besten im Kleinen gedeiht.
Seit fast 20 Jahren präsentiert die Company eine einzigartige Kombination von zeitgenössischem Ballett und Neuer Musik: „unplugged,“ ohne Bühnenbild oder Lichtdesign, aber mit Publikum rund um die Bühne und hautnah an den Tänzern. Die Magie der Live-Performance wird so zur Suche nach vertiefter Menschlichkeit und einem engeren Dialog von Künstler und Publikum.
Im Laufe der Jahre hat die Company mit zahlreichen bedeutenden MusikerInnen und Musikensembles zusammengearbeitet. Neben regelmäßigen Auftritten in New York, Tourneen durch die USA, und Gastspielen in Europa, führt die Company regelmäßig auch ortsspezifische Performances auf, z.B. an architektonisch bedeutsamen Orten wie Bramantes Tempietto in Rom, Tadao Andos Clark Museum in Massachusetts, oder dem Grace Farms Kulturzentrum der Pritzker-Preisträger SANAA.
Choreograf
Miro Magloire wurde in München geboren, und studierte Komposition bei Mauricio Kagel an der Musikhochschule Köln, bevor ihn seine Tanzausbildung nach New York brachte. Dort gründete er das New Chamber Ballet, dessen künstlerischer Leiter er bis heute ist. In den bisher über 120 Balletten, die er für die Company geschaffen hat, lotet er die Grenzen des klassischen Balletts aus, und überschreitet sie in Richtung Gegenwart. Der New York Times-Kritiker Alastair Macaulay bezeichnete ihn als „erfrischend originell“. Magloires besonderes Interesse gilt der zeitgenössischen Musik, oft in Zusammenarbeit mit bedeutenden KomponistInnen und Musikensembles.
Außerhalb seiner eigenen Company schuf er Auftragswerke unter anderem für das New York Choreographic Institute, die American Academy in Rome, das Columbia Ballet Collaborative, und die Sarasota Opera, sowie architektonisch inspirierte, ortsspezifische Arbeiten in Bramante's Tempietto in Rom, dem Grace Farms Kulturzentrum der Architekten SANAA, und Tadao Andos Clark Institute Museum. 2022 choreographierte er die Uraufführung von Reiko Fütings Musiktheaterwerk „Mechthild“ im Magdeburger Kloster Unser Lieben Frauen.
Magloire lebt und arbeitet seit 30 Jahren in New York.
Die Tänzerinnen:
Anabel Alpert hat mit dem Sarasota Ballet, dem Ballet Austin, und dem American Contemporary Ballet Solorollen in werken von George Balanchine, Sir Frederick Ashton, und Matthew Neenan getanzt, bevor sie vor fünf Jahren als Solistin zum New Chamber Ballet wechselte. Ihre Tanzausbildung erhielt sie an der Miami City Ballet School und dem Boca Ballet Theatre. Neben ihrer Tanzkarriere machte sie 2023 einen Abschluss cum laude in Kulturmanagement an der Pennsylvania State University.
Megan Foley begann ihr Tanztraining an der International Ballet School in Colorado, und studierte ab 2013 an der San Francisco Ballet School bei Patrick Armand. Sie tanzte in Werken von George Balanchine, Kenneth MacMillan und Helgi Tomasson. 2017 trat sie der Studio-Company des Oklahoma City Ballet bei, wo sie Hauptrollen in Werken von Robert Mills tanzte. Mit dem New Chamber Ballet tanzt sie seit sechs Jahren.
Nicole McGinnis begann mit dem Tanzunterricht in Pasadena (Kalifornien), und führte ihre Studien an der Marat Daukayev School of Ballet in Los Angeles und am Pittsburgh Ballet Theater fort, wo sie in Werken von George Balanchine, Terrence Orr, and Staycee Pearl mitwirken konnte. Mit dem New Chamber Ballet arbeitet sie seit drei Jahren zusammen.
Amber Neff wurde jüngst von Tanzkritikern der amerikanischen Ballettzeitschrift Pointe als eine der „herausragenden Tänzerinnen des Jahres 2022“ gewählt. Neben dem New Chamber Ballet, dessen Mitglied sie seit dreizehn Jahren ist, tanzte sie auch für das Suzanne Farrell Ballet, Claudia Schreier & Company, Emery LeCrone DANCE, das Boston Ballet, und das Richmond Ballet. Ihre Tanzausbildung erhielt sie in an der Dance Design School New York, am HARID Conservatory, und an der Jacqueline Kennedy Onassis School des American Ballet Theatre in New York.
Rachele Perla wuchs in West Boylston, Massachusetts auf, und erhielt ihren ersten Tanzunterricht an der Boston Ballet School und der Fordham University/The Ailey School, wo sie in Balletten von George Balanchine, Mikko Nissinen, Alvin Alley, Adam Barruch, Amy Hall Garner und Robert Hill mitwirkte. Mit dem New Chamber Ballet tanzt sie seit acht Jahren.
Zeit:
18. Mai 2024, 19:00–20:20 Uhr
Ort:
Kulturstall auf dem Gutshof
Alt-Britz 81
12359 Berlin