Bild und Plan | 650 Jahre Britz – Wahrnehmung und Darstellung im Wandel
Der Neuköllner Ortsteil Britz und das gleichnamige historische Gut begehen aktuell verschiedene Jubiläen. Vor 200 Jahren wurde das adelige Rittergut an den ersten bürgerlichen Eigentümer Carl Jouanne verkauft und genau vor 100 Jahren erwarb die Stadt Berlin das Gut mit den weitläufigen Agrarflächen als Bauland. Zudem jährt sich die urkundliche Ersterwähnung von Britz 2025 zum 650. Mal. Ein Grund zum Feiern und zur Selbstreflektion. Aber kein Grund für bloße Nostalgie!
Historische Archivalien, Ansichten, Landkarten und Flurpläne bilden zwar das Ausgangsmaterial, um sich mit dem 1920 nach Groß-Berlin eingemeindeten Ortsteil zu beschäftigen. Daneben wurden aber auch mit Mirja Busch, Jorn Ebner, Lena Gätjens und Tanja Schnitzler vier ganz unterschiedliche, zeitgenössische Künstler:innen beauftragt, sich mit dem heutigen Britz künstlerisch auseinanderzusetzen.
In der Ausstellung wird ein Blick darauf geworfen, wie Britz durch die Jahrhunderte hindurch beschrieben, definiert, dargestellt und nicht zuletzt wahrgenommen und erfahren wurde, im Spannungsfeld zwischen einer mehr administrativen und geografischen Erfassung und einer eher ästhetischen und künstlerischen Wahrnehmung und Abbildung. Die „Carte der Feldmark“ von David Gilly (1748–1808) aus dem ausgehenden 18. Jahrhundert (Abb. Gilly) zeigt dies beispielhaft: In der Kombination einer formaler Widergabe der Topgrafie mit bildkünstlerischen Elementen wird in diesem Separationsplan der administrative Inhalt in eine repräsentative Gesamtdarstellung mit einer hohen künstlerischen Qualität übertragen. Dazu wird neben Allegorien auch auf die frühesten Britzer Ansichten des Berliner Historienmalers Bernhard Rode (1725–1797) zurückgegriffen. Mit der Motivauswahl rund um den Kirchpfuhl wird gleichzeitig ein zentrales Bildthema für die weitere künstlerische Verarbeitung des Ortes sichtbar (Abb. Rode).
Auch die beiden Ansichten von „Schloss Britz“, die Alexander Duncker (1813–1897) 1880 und 1883 publizierte, stehen noch in dieser Bildtradition, wenn sie als Illustrationen neben einem kurzen Text zur Beschreibung des Herrensitzes dienen (Abb. Duncker). Obrigkeitlich ist auch der Charakter der gleichzeitigen topografischen Pläne, die im weiteren Verlauf aber zunehmend ihren gestalterischen Repräsentationscharakter verlieren. In erster Linie dokumentieren sie nun als exakt vermessenen Bebauungspläne die Besitzverhältnisse im Sinne eines juristischen Dokuments.
Daneben erweitert sich aber seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts das Spektrum in der Darstellung wie der Darstellenden. Immer häufiger sind es lokale Kräfte, die sich vermehrt mit ihrer Umgebung künstlerisch auseinandersetzen. Dabei werden neben eigenen Skizzen nach der Natur auch Vorlagen (Grafik, Postkarten) genutzt. Ein künstlerisches Highlight innerhalb der Ausstellung bilden die Britzer Landschaftsbilder von Hans Goetsch (1892–1981), der ab 1927 in der benachbarten Hufeisensiedlung lebte. Britz bot dem pleinair arbeitenden Künstler reichhaltiges Motivmaterial. Seine Werke zeichnen exemplarisch den Wandel des Ortes im 20. Jahrhundert nach.
Die Ausstellung beschränkt sich aber nicht auf den Blick zurück. Mit Unterstützung des Fördervereins wurden Aufträge an vier zeitgenössische Künstler:innen erteilt, den sozialen und topografischen Raum von Britz neu zu erfassen.
Mirja Busch nutzt seit einiger Zeit ein Atelier in Berlin-Britz. Seit vielen Jahren beschäftigt sie sich im Rahmen ihrer künstlerischen Forschung mit der Pfütze als temporär auftretendem Phänomen. In ihrer Rauminstallation fängt sie die Spezifik der „Britzer Pfütze“ ein und stellt ihre Erkenntnisse in einem lokalgeschichtlichen Kontext dar.
Jorn Ebner ist Klangkünstler und schafft unter Einbezug historischer Geräusche der 1960er und 70er Jahre – diese stammen aus dem im Museum Neukölln verwahrten Klangarchiv des Neuköllner Heimatforschers Wilhelm Schmidt – und eigenen Klängen und Aufnahmen eine „Britzer Symphonie“, die sich akustisch dem Ort annähert.
Lena Gätjens beschäftigt sich theoretisch und praktisch mit der visuellen Aneignung von Räumen. Mit Hilfe von verspiegelten Devices verändert sie für die teilnehmenden Besucher:innen die Umgebungswahrnehmung und stellt unsere Sehgewohnheiten buchstäblich auf den Kopf.
Tanja Schnitzler hat sich in den letzten Monaten ebenfalls intensiv mit dem Stadtraum in Britz beschäftigt. Personen, die Schnitzler häufig direkt auf der Straße ansprach, standen ihr im öffentlichen Raum oder im privaten Umfeld in inszenierten Szenerien Modell. (Abb. Schnitzler_Heckmann) In ihren Fotografien treten Stadtlandschaften (Abb. Schnitzler_ Familiengrab) und Porträts in einen Dialog.
In der gemeinsamen Präsentation von historischen und zeitgenössischen Werken und Zeitzeugnissen entsteht ein dichtes Gewebe aus Bildern, Dokumenten und Tönen, die Britz als urbanen und sozialen Raum durch die Jahrhunderte hinweg erfahrbar werden lassen.
Kuratierung: Christian C. Schnell, Dr. Martin Steffens, Rebekka Liebmann
Zeit:
16. November 2024, 12:00 – 09. Februar 2025, 18:00 Uhr
Ort:
Schloss Britz
Alt-Britz 73
12359 Berlin